Digitalisierung in der Stahlindustrie: Herausforderungen und Chancen

von Bernhard Seibold, Geschäftsführer bei Günther + Schramm - August 2024

Ich möchte heute einen Blick auf die Digitalisierung in unserer Branche werfen. Obwohl Digitalisierung in der Stahlindustrie noch kein großes Thema ist, sind ihre Potenziale enorm, und ich bin überzeugt, dass wir uns dieser Herausforderung stellen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Status Quo über die Digitalisierung in der Stahlindustrie  

Stahlwerke sind komplexe Einrichtungen, die moderne Technologien und hochspezialisierte Fachkenntnisse erfordern, um qualitativ hochwertigen Stahl effizient und kostengünstig zu produzieren. Doch wie zukunftsfähig ist die Branche aufgestellt. Meine These: Beim klassischen Stahlwerk denken die meisten nicht sofort automatisch an Schlagworte wie Digitalisierung, KI, Digital Twin oder Automatisierungsstufen.

Die digitale Transformation und Vernetzung in der Stahlindustrie sind zentrale Themen, die die Zukunft der Branche maßgeblich beeinflussen werden. Digitalisierung und Industrie 4.0 bieten enorme Potenziale zur Effizienzsteigerung, Qualitätsverbesserung und Kostensenkung.

In vielen Bereichen der Stahlbranche – von der Herstellung bis zum Handel –  gehen Unternehmen bereits erste Schritte in Richtung Digitalisierung. Sie beginnen, Internet-of-Things-(IoT)-Technologien, Ansätze der Industrie 4.0, KI und Automatisierung in ihre Prozesse und Maschinen zu integrieren. Vernetzte Sägemaschinen, die Echtzeitdaten liefern, und automatisierte Steuerungssysteme sind keine Seltenheit mehr. Die genannten Technologien ermöglichen es, Produktionsprozesse zu optimieren und Wartungsbedarfe vorherzusagen.

Ein weiteres Beispiel ist die Nutzung von ERP-Systemen (Enterprise Resource Planning), die helfen, verschiedene Geschäftsprozesse zu integrieren und zu verwalten. Einige fortschrittliche Unternehmen nutzen sogar den digitalen Zwilling – virtuelle Modelle physischer Anlagen – um Simulationen durchzuführen. So können etwa die Folgen anstehender Neuerungen besser eingeschätzt und durchgespielt werden.

Hohe Kosten und fehlende Fachkräfte als größte Hürden

Trotz dieser Fortschritte gibt es natürlich noch weitere Herausforderungen, die wir meistern dürfen. Eine der größten ist die umfassende Integration digitaler Technologien. Ältere Maschinen und Anlagen sind oft nicht mit neuen digitalen Systemen kompatibel.

Ein weiterer Aspekt ist der Fachkräftemangel, der auch vor dem Umfeld „Stahl“ keinen Halt macht. Es fehlt an qualifizierten Arbeitskräften, die sowohl über tiefes Branchenwissen als auch über digitale Kompetenzen verfügen oder zumindest bereit sind, sich den Neuerungen zu stellen. Die initialen Investitionskosten für die Implementierung von IoT, Automatisierung und anderen digitalen Technologien sind ebenfalls hoch, was viele Unternehmen abschreckt. Wir sprechen hier schnell von Beträgen in Höhe von 50.000 bis 100.000 Euro. Auch Einzelanwendungen und Pilotprojekte liegen bereits bei ca. 10.000 Euro. 

Warum Stahl jetzt digitaler werden muss

Digitalisierung und Automatisierung sind eng miteinander verbunden. Digitalisierung umfasst den Einsatz von Technologien wie IoT, Big Data und künstlicher Intelligenz, um Prozesse zu verbessern. Automatisierung bezieht sich auf die Nutzung dieser Technologien, um manuelle Prozesse zu ersetzen oder zu ergänzen. In der Stahlbranche reden wir hier beispielsweise von automatisierten Schneidprozessen mit CNC-Maschinen und Robotern, Echtzeitüberwachung von Maschinen sowie Predictive Maintenance, also die Vorhersage von Wartungsbedarfen durch Datenanalyse.

Unschlagbarer Vorteil: Die Digitalisierung und ständige Optimierung entlang aller Prozessschritte sorgen für mehr Effizienz und eine ressourcenschonende Produktion. Ohne Hilfe von digitalen Lösungen ist es beispielsweise auch fast unmöglich, den Überblick über die Produktion aber auch über die interne Logistik auf riesigen Werksgeländen zu behalten.

Es ist mir an dieser Stelle besonders wichtig zu betonen, dass die Digitalisierung eng mit den Bestrebungen der Green Steel-Initiativen verbunden ist.

Die Dekarbonisierung ist ein wesentlicher Bestandteil der grünen Transformation innerhalb der Stahlindustrie. Durch die Integration digitaler Technologien und die Schaffung vernetzter Systeme können Unternehmen ihre CO2-Emissionen durch optimale Prozesse erheblich reduzieren und gleichzeitig ihre Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit steigern.

Hier ein paar Beispiele:

  • Echtzeit-Datenanalyse: Sensoren und IoT-Geräte sammeln kontinuierlich Daten über den Energieverbrauch von Prozessen oder Maschinen. Diese Daten können in Echtzeit analysiert werden, um ineffiziente Abläufe zu identifizieren und zu optimieren.
  • Automatisierte Steuerungssysteme: Die Systeme passen den Energieverbrauch automatisch an, um den Betrieb der Anlagen zu optimieren und Energieverschwendung zu minimieren.
  • Digitalisierung ermöglicht eine bessere Nachverfolgbarkeit und Transparenz innerhalb der Lieferkette. Möglicherweise kann hier noch an Routen gearbeitet werden, um noch weniger Kilometer auf die Straße zu bringen. Es gibt zahlreiche Softwarelösungen und Plattformen, die dabei unterstützen.

Digitalisierung als Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit

Die Stahlindustrie hat bereits bedeutende Schritte in Richtung Digitalisierung und Automatisierung unternommen, steht jedoch vor Herausforderungen, die bewältigt werden müssen. Die volle Integration digitaler Technologien bietet enorme Potenziale für Effizienzsteigerungen, Qualitätsverbesserungen und Kosteneinsparungen. Unternehmen, die diese Technologien erfolgreich implementieren, werden langfristig wettbewerbsfähiger und resilienter gegenüber Marktveränderungen sein.

Wir bei G+S haben bereits einige erfolgreiche Schritte in Richtung Digitalisierung unternommen. Am Standort Mannheim haben wir den digitalen Lieferschein implementiert. In Königsbronn haben wir eine digitale Maschinendatenerfassung realisiert, die die Arbeitsvorbereitung mit der Produktion digital verbindet und sämtliche Daten digital verarbeitet. Diese Projekte sind nur der Anfang, und wir sind stolz auf das, was wir bereits erreicht haben. Ich bin überzeugt, dass wir bei G+S auf dem richtigen Weg sind.

Die Integration von digitalen Technologien und Innovationen in unsere Prozesse hat uns bereits nach kurzer Zeit sichtbare Vorteile gebracht. Das Feedback unserer Mitarbeiter aber auch unserer Partner ist durchweg positiv. Wir wissen aber auch „Da geht noch was“ – das anzugehen, darauf freuen wir uns.

Die Herausforderungen sind groß, aber die Chancen sind es auch. Mit einer klaren Vision und dem Engagement unseres Teams werden wir weiterhin in die Zukunft investieren und die Digitalisierung vorantreiben.

Bernhard Seibold, Geschäftsführer bei Günther

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