Die deutsche Stahlindustrie steht an einem Wendepunkt. Jahrzehntelang galt Stahl als einer der Eckpfeiler der deutschen Wirtschaft, als Grundlage für den Maschinenbau und die Automobilindustrie. Doch in den letzten Jahren haben sich die globalen Märkte und die Anforderungen an Nachhaltigkeit und stetige Weiterentwicklung von Verfahren und Prozessen drastisch verändert. Ein Umdenken ist längst überfällig. Die Stahlindustrie muss sich anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und ihren Platz in einer zunehmend grüneren Wirtschaft zu behaupten. Denn die Stahlbranche trägt einen großen Anteil an vielen anderen Schlüsselbranchen.
Um den Status quo der Stahlbranche zu verstehen, hilft ein Blick in die Vergangenheit. Die deutsche Stahlindustrie war lange Zeit von traditionellen Produktionsmethoden wie dem Hochofenverfahren geprägt. Diese Methode wird in den letzten Jahren allerdings zunehmend hinterfragt – insbesondere durch den hohen Anteil der CO₂-Emissionen, die beim Prozess freigesetzt werden. Im Jahr 2023 war die Branche Eisen und Stahl in Deutschland für rund 32 Prozent der gesamten Industrieemissionen verantwortlich. Das entspricht rund 32,5 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent. Eine Statistik, die nicht nur die Umwelt belasten, sondern auch immer mehr zu einer Herausforderung im globalen Wettbewerb werden könnte.
Besonders der Rohstahl steht im Zentrum der Debatte. Als Grundlage nahezu aller stahlbasierten Produkte macht seine Herstellung einen enormen Anteil am Verbrauch der Energiemenge aus.
Doch anstatt sich von dieser Herausforderung einschüchtern zu lassen, setzt die Branche auf Transformation. Umdenken ist die Devise.
Es ist kein Geheimnis, dass die Stahlindustrie weltweit unter enormem Druck steht, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren und nachhaltiger zu wirtschaften. Laut einer Studie der World Steel Association verursacht die Produktion einer Tonne Stahl rund 1,8 Tonnen CO₂.
Die Antwort darauf ist die Entwicklung neuer, umweltfreundlicherer Technologien. Eine der vielversprechendsten Lösungen ist die Direktreduktion von Eisen (DRI), die auf Wasserstoff statt Kohlenstoff setzt. In Deutschland experimentieren Unternehmen wie thyssenkrupp und Salzgitter mit Wasserstofftechnologien, um die Produktion von Stahl emissionsfrei zu gestalten. thyssenkrupp plant beispielsweise, ab 2030 in seiner Duisburger Anlage einen vollständig CO₂-neutralen Produktionsprozess zu etablieren. Spätestens 2045 soll die Stahlproduktion komplett klimaneutral erfolgen. Ehrgeizige Ziele, die von der gesamten Branche genau verfolgt werden.
Bereits 2021 kündigte Salzgitter an, bis 2033 den CO₂-Ausstoß in seiner Stahlproduktion um 35 % zu reduzieren – eine Ausrichtung, die durch den Europäischen Green Deal und die damit verbundenen Klimaziele der EU bis 2050 weiter forciert wird.
Neben der Nachhaltigkeit ist die Digitalisierung ein weiterer Schlüsselfaktor, der einen großen Anteil an der Transformation der Stahlindustrie haben wird. Schon jetzt setzen Unternehmen wie ArcelorMittal und Tata Steel auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Big Data, um Produktionsprozesse zu optimieren und die Effizienz zu steigern. So wird beispielsweise die Qualität des produzierten Stahls durch den Einsatz von KI-gestützten Systemen verbessert, die in Echtzeit Daten analysieren und Anpassungen an den Produktionsprozessen vornehmen.
Ein weiterer Vorteil der Digitalisierung und Automatisierung liegt in der Entlastung der beschäftigten Arbeitskräfte, die aufgrund des anhaltenden Fachkräftemangels und der alternden Belegschaften immer schwerer zu finden sind. Die zunehmende Automatisierung ermöglicht es Unternehmen, die Produktivität beizubehalten, auch wenn der Pool an verfügbaren Fachkräften schrumpft.
Predictive Maintenance – also die vorausschauende Wartung von Maschinen – wird die Produktion noch weiter optimieren. Potenzielle kostspielige Maschinenausfälle können so schon im Vorfeld identifiziert und verhindert werden, bevor sie die Produktion stoppen. Dies sorgt nicht nur für Kostensenkungen, sondern auch für eine höhere Produktionskapazität und weniger Ausschuss.
Neben der reinen Stahlerzeugung wird sich auch die Stahlverwendung verändern. So hat die automobile Industrie in den letzten Jahren massiv in Leichtbau-Stahl investiert, um die Energieeffizienz und die Fahrzeugleistung zu steigern.
Ein weiteres wachsendes Anwendungsfeld für Stahl ist der Bereich erneuerbare Energien, insbesondere in der Windkraftindustrie. Laut dem Global Wind Energy Council werden bis 2030 mehr als 500.000 Tonnen Stahl pro Jahr für die Herstellung von Windkraftanlagen benötigt. Diese Entwicklung stellt die Stahlindustrie vor neue Herausforderungen und Chancen – vor allem hinsichtlich der Produktentwicklung und der Anpassung der Produktionskapazitäten.
Die Stahlindustrie bleibt nicht unberührt von der globalen Marktdynamik. Viele Unternehmen sehen sich mit einem intensiven Preisdruck konfrontiert – vor allem aus Ländern mit günstigen Produktionskosten wie China oder Indien. Die Antwort darauf sind die Konsolidierung und das Streben nach größeren Produktionsmengen.
Auch Handelsbarrieren und Zölle sind Themen, die die Stahlbranche zunehmend beschäftigen. Diese geopolitischen Faktoren beeinflussen die gesamte Wertschöpfungskette und können zu Verschiebungen in den globalen Märkten führen.
Die Stahlindustrie wird sich in den kommenden Jahren stark verändern. Technologie, Innovation und Nachhaltigkeit sind die Triebfedern dieser Transformation. Doch der Weg dorthin ist nicht einfach – er erfordert Investitionen in neue Technologien, die Bereitschaft zur Veränderung und eine enge Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Regierungen und Forschungseinrichtungen.
Schaut man auf die Zahlen, ist eines klar: Die Zukunft der Stahlindustrie wird zunehmend grüner, digitaler und effizienter. Prognosen gehen davon aus, dass die Stahlerzeugung bis 2050 weltweit um etwa 25 % zunehmen wird – jedoch bei deutlich reduzierten Emissionswerten. Für Europa wird erwartet, dass die Produktionsmenge von Stahl im Jahr 2025 bei rund 150 Millionen Tonnen liegen wird, was etwa 5 % weniger ist als noch vor 10 Jahren.
Die Stahlbranche wird ihren traditionellen Charakter nicht über Nacht verlieren – doch sie steht am Beginn eines tiefgreifenden Wandels. Für Unternehmen, die bereit sind, in Innovation zu investieren und sich den neuen Herausforderungen zu stellen, bieten sich riesige Chancen. Die Frage ist nur, wer den Mut hat, den ersten Schritt zu gehen. Einen aktiven Anteil daran hat die Wirtschaftsvereinigung Stahl.
Die Wirtschaftsvereinigung Stahl (WV Stahl) ist der wirtschaftspolitische Spitzenverband der deutschen Stahlindustrie. Seit ihrer Gründung im Jahr 1874 vertritt sie die Interessen der Branche und treibt die Transformation zu einer klimaneutralen Stahlproduktion bis 2045 voran.
Mit einer Jahresproduktion von 37 Millionen Tonnen Rohstahl (2024) ist Deutschland der größte Stahlproduzent Europas und siebtgrößter weltweit. Die Stahlindustrie bildet das Rückgrat zahlreicher Schlüsselbranchen – von der Automobilindustrie über den Maschinenbau bis hin zur Energietechnik. Fast 70 % der deutschen Exporte sind stahlintensive Produkte, was die Bedeutung der Branche nicht nur für die deutsche, sondern auch für die europäische und globale Wirtschaft unterstreicht. Der Umsatz der Stahlindustrie in Deutschland bleibt eine zentrale Grundlage für die wirtschaftliche Stärke des Landes und wird durch die steigende Nachfrage nach nachhaltigen und effizienten Produktionsprozessen weiter gestärkt.
Die WV Stahl arbeitet eng mit politischen Akteuren auf nationaler und europäischer Ebene zusammen und setzt sich für wirtschaftlich tragfähige Rahmenbedingungen ein, um nachhaltige Geschäftsmodelle für klimafreundlichen Stahl zu fördern. Sie war maßgeblich an der Entwicklung des Aktionsprogramms Stahl (2020) beteiligt, das als Leitfaden für die Transformation der Stahlindustrie gilt.
Mit ihrer energie-, klima-, wirtschafts- und handelspolitischen Expertise trägt die WV Stahl dazu bei, dass die deutsche Stahlindustrie wettbewerbsfähig bleibt – sowohl auf dem Weg zur Klimaneutralität als auch im internationalen Wettbewerb.
Die deutsche Stahlbranche steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die nicht allein gemeistert werden können. Der Wandel hin zu einer nachhaltigeren, effizienteren und digitaleren Produktion verlangt nach einer Bündelung der Kräfte von Industrie und Politik. Die Statistik sowie zahlreiche Umfragen, Studien und Forschungsergebnisse zeigen, dass der Bedarf an hochwertigen, nachhaltigen Stahlprodukten stetig steigt, der Anteil der deutschen Stahlproduktion zuletzt aber rückläufig war.
Mit zunehmendem Kostendruck stehen viele deutsche und europäische Stahlhersteller vor großen Herausforderungen und nicht unerheblichen Zukunftssorgen. Anbieter aus dem Ausland versuchen, den EU-Markt mit Dumpingpreisen zu erobern. Damit dieser „Billig-Stahl“ den europäischen Stahlherstellern nicht das Genick bricht, führt die EU ab 2026 mit CBAM als CO2-Grenzausgleichssystem ein neues Schutzinstrument ein. Zudem will die EU Investitionen von 100 Milliarden Euro mobilisieren, um Europas industrielles Fundament zu stützen.
Diese Maßnahmen sind entscheidend, um künftig die Abhängigkeit von Stahlimporten aus Regionen zu reduzieren, deren Zuverlässigkeit aufgrund schwankender Eigenbedarfe und geopolitischer Entwicklungen nicht langfristig planbar ist. Ereignisse wie die eingeschränkte Verfügbarkeit asiatischen Materials während der Corona-Pandemie, die Lieferkettenstörungen durch die Blockade des Suezkanals 2021 sowie die Sanktionen gegen Russland verdeutlichen, wie wichtig es ist, starke Abhängigkeiten zu vermeiden und so die Versorgung der heimischen Industrie nachhaltig zu sichern.
Als Systemlieferant für Stahl und Metall setzt Günther + Schramm auf einen ausgewogenen Mix aus globaler Beschaffung und regionaler Verantwortung. Unsere langjährigen Partnerschaften ermöglichen es uns, flexibel und bedarfsorientiert auf die Entwicklungen der internationalen Märkte zu reagieren – und gleichzeitig Qualitätsstandards und Versorgungssicherheit für unsere Kunden zu gewährleisten.
Dabei spielt auch deren Bewusstsein eine entscheidende Rolle: Wer sich für Green Steel entscheidet und bereit ist, einen Aufpreis für nachhaltige Produktion zu zahlen, unterstützt aktiv den Wandel der europäischen Stahlindustrie. Wer hingegen auf den günstigsten Preis achtet bzw. achten muss, wird in der Regel auf Importe aus Asien zurückgreifen. Als Bindeglied zwischen Produzenten und verarbeitender Industrie beraten wir in unseren Projekten transparent und lösungsorientiert – mit Blick auf das Machbare, Nachhaltige und wirtschaftlich Sinnvolle.